Postpartale Depression bei Männern
Ein unterschätztes Risiko
Depressionen nach der Geburt sind bei Vätern nicht selten. Sie kommen zwar etwas seltener vor als bei den Müttern, aber doppelt so häufi g wie in der Gesamtbevölkerung. Also alles andere als ein Randphänomen!
Schon die exakte Abgrenzung des Depressionsbegriff s ist bei jungen Vätern schwierig. Junge Mütter geraten kurz nach der Geburt nicht selten in den „Babyblues“. Dafür werden hauptsächlich die starken hormonellen Umstellungen im Körper verantwortlich gemacht. Nach einigen Tagen sollte dieses Stimmungstief überwunden sein. In den kommenden Wochen und Monaten erkranken 10-20% der jungen Mütter an einer Wochenbettdepression, welche häufig eine psychotherapeutische Begleitung und eine medikamentöse Behandlung erfordern.
Nach Ergebnissen einer Metastudie von 2010 (Prenatal and postpatum depression in fathers and its association with maternal depression: a meta-analysis) leiden nach der Geburt des Kindes etwa 10% der Väter unter depressiven Verstimmungen. Hormonelle Umstellungen spielen dabei eine untergeordnete Rolle und können die Verstimmungen nicht erklären. So ist auch die Eingrenzung auf ein paar Tage nach der Geburt nicht so einfach möglich. Was kann also diese depressiven Verstimmungen auslösen und ab wann ist von einer Depression auszugehen?
Als einzige Ursache lassen sich einzelne Einfl üsse nicht verantwortlich machen. Im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs werden viele Einfl ussfaktoren genannt, die eine Depression begünstigen können:
- Hoher Erwartungsdruck an sich selbst oder von der Partnerin
- Die Angst, kein guter Vater zu sein
- Schlafmangel
- Unerwartete Probleme mit der neuen Situation
- Mangelnde Unterstützung
- Schlechte Vorbereitung auf die Situation nach der Geburt
- Ungewollte Vaterschaft
- Die Festlegung nur auf die Ernährerrolle
- Finanzielle Probleme
- Eine Depression der Partnerin
- Depressive Vorerkrankungen in der Familie oder bei dem Betroffenen.
All diese Faktoren können zu einem Gefühl der Überforderung, Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit beitragen. Auch wenn noch nicht unbedingt von einer anhaltenden Depression gesprochen werden kann, ist es sinnvoll, sich jetzt Hilfe zu organisieren. Die Initiativ Liewensufank ist für Sie über die „Baby Hotline“ erreichbar. Unsere geschulten Mitarbeiterinnen haben immer ein offenes Ohr. Viele Probleme können schon hier geklärt werden und die depressive Stimmung überwinden helfen. Im Gespräch kann sich auch zeigen, dass größerer Hilfebedarf besteht. Gemeinsam können dann intensivere Unterstützungsmöglichkeiten ins Auge gefasst werden. Sei es vertiefte Beratung, psychologische Unterstützung oder andere Hilfsangebote bei der Initiativ Liewensufank und anderen unterstützenden Organisationen in Luxemburg.
Sollte das Gefühl der Niedergeschlagenheit und der Antriebslosigkeit länger als 6 Monate andauern, ist auf jeden Fall die Gefahr einer Depression gegeben. Eine postnatale Depression ist als psychische Krise in den ersten 12 bis 18 Monaten nach der Geburt defi niert. Die Depression regelt sich nicht von allein. Unbehandelt kann Depression eine tödliche Krankheit sein.
Postpartale Depressionen sind also nicht nur ein möglichen Problem für junge Mütter. Mit ermittelten 10% der Väter handelt es sich bei depressiven Verstimmungen oder Depressionen nicht um ein Randphänomen. Und unabhängig vom Schweregrad der Depression: Kinder brauchen einen fitten Vater. In der oben erwähnten Studie wurde nämlich auch festgestellt, dass Kinder von depressiven Vätern oder Müttern häufiger Entwicklungsstörungen haben. In einer jüngst erschienen Studie (Depression Hits New Dads Too, JAMA Psychiatrics, February 15, 2017) wurde gezeigt, dass eine frühe Intervention auch späteren Entwicklungsstörungen vorbeugen kann. Je schneller ein Betroffener und sein Umfeld also reagieren, umso besser für ihn und sein Kind. Falsche Scham ist nicht angebracht. Eine Depression ist eine Erkrankung, die jeden treffen kann. Sie ist kein individuelles Versagen, sondern eine sehr gut behandelbare Krankheit mit guten Heilungsaussichten.
Ein Faktor für depressive Erkrankungen kann mangelnde Vorbereitung auf die neue Situation sein. Eine gute und realistische Vorbereitung auf die Zeit nach der Geburt
stellt eine sinnvolle Prophylaxe dar. Ein gemeinsam besuchter Geburtsvorbereitungskurs ist für die werdenden Eltern auf jeden Fall hilfreich.
Berthold Heltemes