Die selbstständige Bewegungsentwicklung von Anfang an

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Emmi Pikler war eine Kinderärztin, die die freie – autonome – Bewegungsentwicklung erforscht hat und zwar unter Bedingungen, in denen die Kinder nicht in eine Versuchsreihe gebracht worden sind. Sie setzte sich in einem gewissen Abstand vom Kind nieder und schrieb alle 15 Sekunden das auf, was sie an Bewegung neu beim Kind sehen konnte. Auf diese Weise entstanden mehrere Forschungsfragen, denen sie nachging. Aus diesen Forschungen sind Entwicklungsbögen entstanden, die die reinen Ergebnisse, entstanden aus der Beobachtung des sich frei entwickelnden Kindes, widerspiegeln.

Eine Frage, die sich Emmi Pikler zu Beginn ihrer Forschung gestellt hatte, war folgende:

„Was geschieht, wenn wir uns in die Bewegungsentwicklung der Säuglinge nicht direkt einmischen? Werden sie den Weg von der Rückenlage bis zum selbstständigen Gehen und Laufen meistern? Und wenn ja, wie?“*.

Bei diesen Beobachtungen konnte sie Vieles sehen und wurde Zeuge von bis dato nicht bekannten Übergangsbewegungen, die der Säugling aus eigener Initiative zeigte.

Sie zeigten also auf, auf welchem Weg der sich selbstständig entwickelnde Säugling sich von der Rückenlage in eine andere Position bewegt, um schlussendlich in den Stand und das Laufen zu gelangen. Es ergaben sich neue Perspektiven, um zu einem anderen Verständnis des Kindes zu gelangen. Es konnte beobachtet werden, wie es für ein Kind ist, wenn es sich mit den Gesetzmäßigkeiten der Schwerkraft auseinandersetzt, die Anziehungskraft der Erde spürt und seinen Körper sich den stets neuen Herausforderungen des Gleichgewichts stellt.

Anna Tardos schreibt: “Im Laufe einer freien, autonomen Bewegungsentwicklung bekommt das Kind vom Kleinstkindalter an Raum dafür, im Einklang mit seiner eigenen Reife, dem eigenen Interesse folgend, das selbstständige Erreichen verschiedener Stadien seiner Bewegungsentwicklung zu erfahren und sich sicherer und harmonischer zu bewegen. Nicht zuletzt lernt es dabei, sich über die aus eigener Initiative erreichten Ergebnisse zu freuen. Es fühlt sich weniger ausgeliefert und kann sich selbst wertvoller erleben.“*.

Ein Kind, das auf die Welt kommt, ist hochgradig abhängig von demjenigen, der es versorgt. Doch hat es schon von Beginn an Kompetenzen, die durch unsere Beobachtung erkennbar sind. Im Mutterleib haben die meisten Kinder schon am Daumen gelutscht und sich dort bewegt, das ist nach der Geburt nicht mehr so möglich, da, wie oben erwähnt, die Anziehungskraft der Erde auf den Körper wirkt. Doch sind die Kinder mit Reflexen ausgestattet, so dass ein Kind sich vielleicht schon selbstständig beruhigen kann, indem es reflexartig die eine Faust zum Mund führt und die andere Hand hält die Faust fest. Genauso kann man sehen, dass das Kind die Arme und Beine reflexartig bewegt. Durch das freie Strampeln und sich bewegen werden die Reflexe besser im Körper integriert. Durch diese reflexartigen Bewegungen werden stets Impulse zum Gehirn gesandt, die dort neue Nervenverbindungen knüpfen können. Ein Kind, das in der Rückenlage auf einer härteren Unterlage liegt, bekommt stets diese neuen Gleichgewichtsanregungen, sobald sich sein Körper auf der Unterlage bewegt. Dadurch wird sich das Kind in einem ständigen Lernimpuls befinden und nebenbei lernt es, sich in dieser Rückenlage wohl zu fühlen; dort mehr Sicherheit zu empfinden und in dieser sich selbst erlernten Sicherheit frei zu fühlen, um sich zu bewegen. Denn nur durch diese Sicherheit wird das Kind sich neuere Bewegungen zu eigen machen. Natürlich gehört dazu noch die achtsame und ruhige Pflege, die es dem Kind ermöglicht, sich sicher in seinem Körper zu fühlen.

Die Pflege findet stets im Dialog und in einer gewissen Kooperation statt.

Doch schrieb Emmi Pikler damals, und es ist heute genauso aktuell:

« Kinder, die sich während der Pflege gesehen und angenommen fühlen, dort wo eine Situation in einem Dialog stattfindet, da kann ein Säugling sich genährt von Nähe fühlen. »

Wenn sich der Säugling während der Pflege als kompetenten, geliebten Menschen wahrnimmt, dann kann er sich in den Zwischenzeiten sehr gut seinen Bewegungs- und Spielversuchen nähern und diese üben. Dann fühlt sich das Kind sicher in der Beziehung zum Erwachsenen und diese Sicherheit gibt ihm Vertrauen, um neue Bewegungsmuster zu trainieren.

Claudia Goudemond,
Bewegungspädagogin, PiklerPädagogin

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Artikel aus der Elternzeitschrift « baby info » 02/2019


*Quelle: Aus dem Buch « Lasst mir Zeit » Autor Emmi Pikler und Anna Tardos, neu überarbeitet und im Dezember 2018 erschienen.